Thieme-Intensivpflegepreis

Sekretmanagment beim intubierten, beatmeten Patienten | Sonja Schorsten
1. Einleitung
In der intensivmedizinischen Versorgung ist die maschinelle Beatmung eine häufig eingesetzte Therapieform bei schwerkranken Patienten. Diese bringt jedoch neben lebensrettenden Vorteilen auch erhebliche Risiken mit sich – insbesondere in Bezug auf das Sekretmanagement. Durch die Intubation wird das natürliche Reinigungssystem der Lunge massiv gestört. Insbesondere bei sedierten Patienten, die nicht aktiv husten oder kommunizieren können, ist ein effektives Sekretmanagement zur Vorbeugung schwerwiegender Komplikationen entscheidend. Ziel der Arbeit ist es, aufzuzeigen, wie Fachpflegekräfte Sekretverhalt erkennen und mit gezielten Maßnahmen gegensteuern können.

2. Physiologische Grundlagen
2.1 Mukoziliäre Clearance
Die mukoziliäre Clearance ist ein wesentlicher Bestandteil der Selbstreinigung der Atemwege. Sie besteht aus einer Schleimschicht, die aus einer flüssigen Sol-Schicht und einer zäheren Gelschicht besteht, sowie Flimmerhärchen (Kinozilien), die in rhythmischer Bewegung Schleim und darin eingeschlossene Partikel in Richtung Rachen befördern. Diese Bewegung ist nur bei ausreichender Befeuchtung und Erwärmung der Atemluft effizient. 75% der Atemgaskonditionierung geschieht in den oberen Atemwegen. Wird dieser Mechanismus gestört – z. B. durch trockene Luft oder mechanische Schädigung – kommt es zum Sekretstau.

2.2 Tussive Clearance
Ist die mukoziliäre Clearance unzureichend, wird der Schleim durch Hustenstöße entfernt. Ein effektiver Husten erfordert eine tiefe Inspiration, einen Verschluss der Glottis, einen Druckaufbau im Thorax und eine anschließende explosive Ausatmung. Bei intubierten Patienten ist dieser Vorgang jedoch nicht möglich, da die Glottis durch den Tubus nicht schließen kann.

3. Ursachen und Folgen von Sekretretention
3.1 Allgemeine Ursachen
Erkrankungen wie COPD, Bronchitis, Asthma bronchiale oder Mukoviszidose führen häufig zu einer erhöhten Schleimproduktion. Zudem kann eine Muskelschwäche – beispielsweise bei neuromuskulären Erkrankungen oder nach längerem Intensivaufenthalt – die Hustenfähigkeit stark einschränken. Auch wiederholte Aspirationen, etwa nach Schlaganfällen, tragen zur Sekretretention bei.

3.2 Spezifische Ursachen durch Intubation und Beatmung
Die Intubation umgeht die oberen Atemwege, sodass die Atemluft nicht mehr auf natürliche Weise befeuchtet und erwärmt wird. Dies führt zu einer Austrocknung der Schleimhäute, einer Erhöhung der Sekretviskosität und einer Schädigung oder Zerstörung der Flimmerhärchen. Auch hohe Sauerstoffkonzentrationen (FiO₂ ≥ 1,0) hemmen zusätzlich die Zilienaktivität. Auch der Absaugvorgang an sich kann Verletzungen der Bronchialschleimhaut erzeugen, die wiederum erneut Entzündungen hervorrufen und erneut die Sekretproduktion begünstigen. Der endotracheale Tubus verhindert außerdem einen effektiven Hustenstoß, was die Sekretelimination weiter behindert.

3.3 Folgen der Sekretretention
Ein unbehandelter Sekretstau kann schwerwiegende Folgen haben. Sekret in den kleinen Bronchien kann das Ventilations- Perfusions-Verhältnis zum negativen verschieben. Verlegte Bronchien führen zu Atelektasen, wodurch die Lungenoberfläche für den Gasaustausch reduziert wird – eine Hypoxämie kann die Folge sein. Sekret verengt den Atemweg und erhöht den Atemwiderstand. In Kombination mit Bakterien kann sich leicht eine beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP) entwickeln. Darüber hinaus steigt das Risiko einer Tubusverlegung oder eines Extubationsversagens durch respiratorische Erschöpfung aufgrund von erhöhtem Sekretaufkommen.

4. Erkennen von Sekretverhalt
Das Erkennen eines Sekretverhalts bei einem sedierten Patienten erfordert geschulte Beobachtung und technisches Verständnis.

4.1 Hinweise am Respirator
Bestimmte Veränderungen in der Flowkurve – wie abrupte Stufen oder Zackenmuster – weisen auf Sekretverlegungen oder Flüssigkeitsansammlungen im Beatmungssystem hin.

4.2 Hinweise aus der Blutgasanalyse und dem Monitoring
Eine Hypoxämie in der BGA (paO₂ deutlich unter dem altersentsprechenden Normwert) kann auf Atelektasen oder Shuntbildungen hinweisen. Sinkende Sauerstoffsättigung (SpO₂ < 90 %) im Monitoring ist ebenfalls ein Alarmzeichen. Jedoch kann die BGA nur indirekt einen Sekretverhalt erahnen lassen. Andere Ursachen für schlechte Blutgaswerte sind möglich. 4.3 Beobachtungen am Patienten Beim Auskultieren der Lunge lassen sich Rassel- oder Brodelgeräusche erkennen. In der Regel treten sie in der Exspiration auf. Auch sichtbares Sekret im Tubus oder vibrierende Beatmungsschläuche deuten auf Sekretverhalt hin. 5. Medizinisch-pflegerische Maßnahmen Die Behandlung der Grunderkrankung und eine adäquate Volumentherapie stehen im Vordergrund. Die Sekretmobilisation ist ein komplexer, multifaktorieller Prozess. Verschiedene Maßnahmen stehen Pflegefachkräften zur Verfügung, die individuell kombiniert werden müssen. 5.1 Atemgaskonditionierung Eine zentrale Maßnahme ist die adäquate Befeuchtung und Erwärmung der Atemluft. Aktive Systeme arbeiten mit erhitztem Wasserdampf und erreichen nahezu 100 % Luftfeuchtigkeit. Sie erfordern jedoch sorgfältige Überwachung, um Verbrennungen zu vermeiden. Passive Systeme (HME-Filter) nutzen die Feuchtigkeit der Ausatemluft und geben sie bei der Inspiration wieder an den Patienten ab. Sie sollten so nah wie möglich am Tubus angebracht werden, sind kostengünstiger, aber bei hohem Sekretaufkommen leicht verlegbar. 5.2 Inhalationstherapie Inhalationen mit Mukolytika, Expektorantien oder Sekretomotorika unterstützen die Schleimverflüssigung und -elimination. Die Applikation erfolgt über Dosieraerosole oder Vernebler, die korrekt in das Beatmungssystem integriert werden müssen. Vorteile der Inhalationstherapie sind: – lokale Wirkstoffkonzentration, – Niedrige Gesamtdosis – Günstiges Wirkungs-Nebenwirkungs-Verhältnis, – Rascher Wirkungseintritt. 5.3 Positionierung / Drainagelagerung Durch gezielte Lagerungen – z. B. Seitenlagerung mit Kopftieflage – kann Sekret durch Schwerkraft aus bestimmten Lungenabschnitten in die großen Bronchien abfließen, wo es anschließend abgesaugt werden kann. Voraussetzung ist die genaue Kenntnis der Lage der Sekretansammlung, sowie die Kreislaufstabilität des Patienten. 5.4 Vibrationsmassage Mechanische Vibrationen lockern das Sekret in den Atemwegen und fördern dessen Transport in größere Bronchien, wo es abgesaugt werden kann. Die Durchführung erfolgt idealerweise während der Ausatmung und in Drainagelagerung. 5.5 Endotracheales Absaugen Das Absaugen ist eine zentrale, aber risikobehaftete Maßnahme. Es gilt: so wenig wie möglich und so oft wie nötig. Auch der Absaugvorgang kann erneut eine massive Sekretproduktion durch Verletzungen der Schleimhäute begünstigen. Besonders zu beachten ist die SOP und die hygienischen Aspekte. Präoxygenieren vor einem Absaugvorgang ist sinnvoll. Es gibt zwei Verfahren: Geschlossenes Absaugsystem: Wird bei beatmeten Patienten ohne Diskonnektion durchgeführt. Geringeres Risiko der Keimverschleppung. Offenes Absaugsystem: Erfordert Diskonnektion und sterile Technik. Geeignet bei hohem Sekretaufkommen. Absaugen ist mittels konventionellen und atraumatischen Katheters möglich. Beide Verfahren sollten nur bei klarer Indikation und so selten wie möglich durchgeführt werden. Eine sorgfältige Nachbereitung (Auskultation, Cuff-Kontrolle, BGA-Kontrolle) ist erforderlich. 6. Fazit Sekretmanagement wird häufig auf das reine Absaugen reduziert, obwohl es weitaus mehr umfasst. Ein effektives Sekretmanagement beginnt mit einem fundierten Verständnis der pathophysiologischen Veränderungen durch Intubation und Beatmung. Die Auswahl geeigneter Maßnahmen muss individuell erfolgen, engmaschig überwacht und regelmäßig evaluiert werden. Besonders wichtig ist eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen ärztlichem und pflegerischem Team. Fortbildungen zur Sensibilisierung für das Thema Sekretmanagement werden ausdrücklich empfohlen.
Interdisziplinäre Konzepte bei trachealkanülisierten, beatmeten neurologischen Patienten | Alexander Smaka:
Veränderte Versorgungsanforderungen machen es zunehmend relevanter, dass beteiligte Disziplinen enger zusammenarbeiten und sich vernetzen, um Versorgungsprozesse zu optimieren. Mit dem Ziel der verbesserten Steuerung patientenbezogener inter-disziplinärer Prozesse, wurde von Prof. Dr. Peter Stratmeyer das Kooperative Prozessmanagement entwickelt (ebd. 2006). Darauf aufbauend entstand im Rahmen dieser Facharbeit ein Unterrichtsentwurf, wie Auszubildende verschiedener Disziplinen die patientengemeinsame Versorgung auf einer Schüler:innenstation interdisziplinär aufeinander abstimmen. Dabei wird ein Lernen durch Perspektivübernahme angebahnt, indem das eigentliche examinierte Stationspersonal die Rolle der interdisziplinären Koordination als Steuerelement übernimmt.

Sekretmanagment beim intubierten, beatmeten Patienten
Sonja Schorsten
Interdisziplinäre Konzepte bei trachealkanülisierten, beatmeten, neurologischen Patienten
Alexander Smaka
Geeignete Hilfsmittel zur Sicherstellung der optimalen enteralen Ernährung von Beatmeten Patienten
Jennifer Guzmann